Die zwei Leben der Klawitters – Neues von den Klawitters: Leben 2 (mit Grundsicherung im Alter – auch Hartz 4 genannt)

Die Klawitters haben es gemacht, wie vom SPD-Mann vorgeschlagen. Sie haben ihr Geld ausgegeben – für eine neue Waschmaschine, einen neuen Geschirrspüler und sind sie noch eine Woche an die Ostsee gefahren und hatten ein paar schöne Tage am Meer. Den Rest ihrer Ersparnisse haben sie in der Haushalt fließen lassen, bis nur noch das da war, was ein Grundsicherungsempfänger auf der sogenannten hohen Kante haben darf.

Ein wenig mehr als 2000 € waren das vor 4 Jahren. Allerdings wurde da auch das alte Auto eingerechnet, das sie noch hatten. Wert: 2500. So hatten sie dann knappe 3000 € auf dem Konto und ein altes Auto. Den Garten, also den kleinen Bungalow, der auf dem Pachtgarten in der Kleingartenkolonie  haben sie verkauft, das ist ihnen sehr schwergefallen, aber es ging ja nicht anders. Und als auch dieses Geld ausgegeben war, da haben die Klawitters Grundsicherung beantragt.

Die Frau vom Amt hat war sehr freundlich, aber hat doch gesagt, dass die Miete der Klawitters zu hoch ist und sie sich eine andere Wohnung suchen müssen.

Sie sind dann an den Rand gezogen. Vor allem an den Rand der Gesellschaft.  Für Kino, Theater, Konzert ist kein Geld mehr  da. So ein Grundsicherungsempfänger bekommt 409 €, zwei Grundsicherungsempfänger aber nicht das Doppelte, sondern jeder nur 90 %.

2 Personen 736 €. Das hört sich doch gar nicht schlecht an? Doch, denn davon muss alles bezahlt werden. Wie das aussieht, das kann man sich angucken – allerdings haben Klawitters jeweils nur 90 % davon zur Verfügung: KLICK. Immerhin stehen beiden jeweils mehr als 1,50 € für Bildung zur Verfügung. Dieses Geld müssen sie aber bei der Gesundheitspflege drauflegen. Frau Klawitter hat trockene Augen, das kostet sie mehr als 25 € im Monat. Die nötigen Medikamente sind nämlich rezeptfrei. Ebenso das ASS 100, das sie auf Empfehlung ihres Arztes zur Vorbeugung gegen einen Herzinfarkt nimmt. Sie müssen überhaupt überall drauflegen, außer beim Essen – davon ziehen sie ab.

Und dann haben sie eine Pechsträhne, nach nur 3 Jahren geht die neue Waschmaschine kaputt,  die Garantie ist vorbei, geschätzte Reparaturkosten 250 €. Da kaufen sie eine neue, für 300 €. Wenig später erwischt es den Fernseher – ein neuer wird gekauft. 240 €. Die nächste Katastrophe sind die Füße von Herrn Klawitter, es sammelt sich regelmäßig Wasser in seinen Beinen, die alten Schuhe passen nicht mehr. Ein halbes Jahr später kann Frau Klawitter kaum noch die Zeitung lesen, ihre Sehkraft hat dramatisch abgenommen. Kostenpunkt der neuen Gleitsichtbrille, so sparsam wie möglich kalkuliert: 800 €. Frau Klawitter verzichtet und nimmt die kostenlose Kassenexemplare, eine zum Lesen, die andere für alles Andere, bald hat sie dicke rote Streifen auf der Nase, denn die Gläser sind schwer.Außerdem guckt sie nur noch ungern in den Spiegel. Für den Friseur langt es auch nicht mehr.  Sie pflegt sich so gut sie kann, aber alles kostet Geld, eine Hautcreme, die sie verträgt, schlägt monatlich mit 10 € „hart ins Kontor“ und ein Haarfärbemittel, das ihre Kopfhaut nicht reizt, gibt es im freien Verkauf gar nicht. Grau ist die Frabe meiner Zukunft, sagt Frau Klawitter und versucht, es mit Fassung zu tragen. Aber sie fühlt sich nicht wohl und geht seltener als früher aus dem Haus.

Als das Auto zum TÜV muss und eine Rechnung von 1000 ins Haus steht, verkaufen sie es für 100 €. Vorbei ist es mit den Ausflügen an den Werbelinsee, mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft es Herr Klawitter nicht mehr.

Die Kinder schenken den Klawitters 500 € für einen kleinen Urlaub und machen einen großen Fehler: Sie überweisen das Geld auf das Konto des Ehepaars.

Bei der nächsten Vorlage von Kontoauszügen beim Amt entdeckt es die Bearbeiterin und teilt mit, dass es sich um einen Geldzufluss handelt, den sie natürlich verrrechnen muss. Im kommenden Monat erhalten die Klawitters 500 € weniger. Ihren Kindern erzählen sie das nicht.

Manchmal denken beide an Suizid, verwerfen den Gedanken aber immer wieder wegen der Kinder.

Sie gehen nicht zur Tafel und holen sich dort preiswerte Lebensmittel. Von Zeit zu Zeit sammelt Frau Klawitter Flaschen, aber ihr Mann weiß das nicht. Immerhin sind sie von den GEZ-Gebühren befreit und können eine preiswerte Fahrkarte kaufen.

Arbeiten würde sich für die Klawitters nicht lohnen, denn bei der Grundsicherung im Alter gibt es keinerlei wirkliche Freibeträge.

Aber es gibt auch noch Wunder. Im Juli 2016. Plötzlich erhalten die Klawitters keine Grundsicherung im Alter mehr.  Durch die Rentenerhöhungen hat sich ergeben, dass sie aus der Grundsicherung „herausfallen“. Ihr eigenes Einkommen „reicht“ jetzt, zwar hätten sie einen geringen Anspruch auf Wohngeld – 29 € – aber dafür müssten sie wieder ein Tante vom Amt auf alles gucken lassen und das wollen sie nicht. Sie haben jetzt ungefähr so wenig wioe vorher, denn sie sind nicht mehr von der GEZ befreit und auch sonst fallen einige „Vergünstigungen“ weg. Aber wenigstens sind sie die Bevormunder vom Amt los. Arm bleiben sie trotzdem.

Heute gehen die Klawitters wählen.  Die Partei, in der sie mal Mitglied waren, wählen sie nicht mehr. Und sie wählen nicht die AFD. Sie gehören nicht zu den Menschen, die die Schuld bei noch Schwächeren suchen. Klawitters geben beide Stimmen der Linken, obwohl sie auch bei denen nicht mit allem einverstanden sind.

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Uns geht es doch allen gut? Ja, Armut ist realtiv. Aber angesichts der Milliarden-Gewinne der Konzerne könnte – nein, es müsste den Armen besser gehen. Für ein bedingungsloses Grundeinkommen einzutreten, das wird immer wichtiger. Denn die Zahl derjenigen, die die unbedingte Solidarität der Gesellschaft brauchen, wird immer größer, Die Bezieher von Grundsicherungsleistungen im Alter, bei Krankheit und Behinderung und die Bezihttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/242062/umfrage/leistungsempfaenger-von-arbeitslosengeld-ii-und-sozialgeld/her von Sozialgeld sind diejenigen – aus dem noch viel größeren Kreis der Hartz-4-Empfänger – die am wehrlosesten sind: Kinder, Kranke, Behinderte und Alte.

Hartz-4- betroffen sind davon insgsamt in Deutschland zur Zeit 4.4 Millionen Menschen – und nochmal: Diese Zahl ist nicht durch Flüchtlinge entstanden, sie blieb über die Jahre relativ konstant. Der Anstieg von Grundsicherungsleistungen liegt (vermutlich) am Anstieg der Altersarmut.

Tabelle: Bezieher von Grundsicherungsleistungen

2005  630.295 
2006  681.991 
2007  732.602 
2008  767.682 
2009  763.864 
2010  796.646 
2011  844.030 
2012  899.846 
2013  962.187 
2014  1.002.547 
2015  1.038.008 
2016  1.026.000 
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