Frauentag – rauer Tag

C. hat mich zum Brunch eingeladen. Blumen habe ich auch bekommen. Wie sich das unter echten Linken gehört.

Mein Freund Paul hat angerufen, und natürlich haben wir auch über den Frauentag gesprochen. Er hat erzählt, dass seine Gratulation bei seiner Schwester nicht wirklich ankam, sie hatte Angst, die neue Kaffemaschine, deren Knöpfchen allesammt rot drohten, werde gleich explodieren und beendete das Glückwunschtelefonat mit dem Bruder abrupt. So haben weder er noch ich erfahren, ob die neue Kaffeemaschine ein Geschenk ihres Mannes zum Frauentag war. Männer kaufen sich ja unter Umständen mit Allerlei frei, warum nicht auch mit einer Kaffeemaschine. Und zum Frauentag gehören eigentlich Blumen, eine Kaffeemaschine wäre da eher unpassend.

Miriam berichtete heute in ihrem Blog, dass sie und die anderen Mitarbeiterinnen früher in der Staatsbibliothek Unter den Linden immer Nelken bekamen, deren Erhalt sie quitieren mussten. Da ging es uns Mitarbeiterinnen der Pressestelle der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik beim Ministerat der Deutschen Demokratischen Republik besser: Wir bekamen – an anderes erinnere ich mich nicht mehr – eine sehr funktionelle Aufschnittgabel. Und die mussten wir nicht einmal quittieren. Meine Aufschnittgabel steckte jahrelang erfolgreich statt einer Antenne als Bildverbesserungsgerät an der Rückseite unseres Fernsehers.  

Obwohl in diesem oft lächerlichen Gehabe der DDR mit dem Frauentag auch Vieles steckte, was lediglich Alibifunktion hatte – die Wahrnehmung der Frau als gesellschaftliche Kraft im Lande wurde durch die jährliche Erinnerung sicher gestärkt. Wir mussten um Arbeit nicht betteln, auch wenn es nicht für Jede diejenige Arbeit gab, die sie sich wünschte. Frauen waren finanziell in weit höherem Maße unabhängig als heute.

Ich erinnere mich, dass Irmtraud Morgner von einer Lesereise aus dem Westen in die DDR zurückkehrte und sagte, sie sei froh, wieder zu Hause zu sein, wo sie in der Nacht allein auf die Straße gehen könne und auch als Alleinbesucherin einer Gaststätte oder Hotelbar nicht als Jägerin nach männlicher Gesellschaft  gedeutet werde.

Heutzutage sind bundesdeutsche Frauentage raue Tage. Die Wahrnehmung des besonderen Tages ist wenig blumenreich – eher spröde ringt sich die gelangweilte Öffentlichkeit ein Statement oder eine Alibiveranstaltung ab. Nichts ist besser geworden seit damals. Obwohl Miri bestimmt gut auf die Nelke verzichten kann und ich keine Aufschnittgabel brauche. In einem Land, in dem Frauen noch immer massenhaft zu schlechteren Löhnen noch heftiger ausgebeutet werden als ihre männlichen Kollegen, da bleibt der Frauentag einer von jenen Tagen, an denen ich auch stärker an die Idee denke, die hinter der misslungenen Ausführung im Land des DFD und der Aufschnittgabel steckte.

Angesichts der real existierenden Verhältnisse wird uns (Frauen und Männern) nichts weiter übrig, als für ihre radikale Veränderung zu sorgen, daran erinnert mich der Frauentag.

Zur weiterführenden Information und zum Schmunzeln empfehle ich den Podcast Peer Jürgens: KLICK

Für neue Leser und Leserinnen: Frauentag bei Jetzt erst recht gab es auch schon mal: Klick

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.