DIENST-TAG

Es hat nicht unbedingt nur Vorteile, wenn man mal den ganzen Tag zu Hause bleiben kann! Ich bin ja gewiss ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch, aber so hatte ich mir meinen Tag heute nicht vorgestellt.

Es begann schon damit, dass es klingelte, als ich im Bad war. Ich hasse es, wenn ich gestört werde, wenn ich im Bad bin. Aber das Klingeln klang irgendwie dringlich. So dreimal kurz, mit Nachdruck. Ich hüpfte also aus der Badewanne, warf mir den Bademantel über und trabte tropfend durch den Korridor. Vor der Tür, die ich vorsichtshalber nur einen Spalt geöffnet hatte, stand unsere Nachbarin, eine gutaussehende alte Dame mit einem weißen Königspudel, auf den sie ungeheuer stolz ist. Sie sah mich bittend an. Und entschuldigte sich sofort.

„Oh, habe ich Sie geweckt?“  

Ich schüttelte den Kopf. „Nein – ich war schon auf, nur im Bad. Was gibt es denn Frau König?“

Sie blickte auf ihren Hund, der brav „sitz“ gemacht hatte. „Meine Enkeltochter hat sich ein Bein gebrochen, meine Tochter ist nicht zu Hause, ich muss ins Krankenhaus und da kann ich Purzelchen nicht mitnehmen. Ob Sie wohl, ausnahmsweise? Sie wissen doch, er ist ganz brav…“

„Ja, natürlich.“ Ich griff nach der Leine und zog Purzel in die Wohnung. „Machen Sie sich keine Sorgen.“ Ehrlich gesagt, Königspudel sind nicht gerade meine Lieblingsrasse. Ohnehin mag ich Katzen lieber als Hunde, Aber natürlich hatte ich Verständnis. Ich deponierte also Purzel – für ein Purzelchen ist der viel zu groß - auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ich war kaum wieder in der Wanne, als es erneut klingelte. Purzel bellte. Auf ein paar Tropfen mehr im Korridor kam es nun auch nicht mehr an. Es war noch einmal meine Nachbarin, sie brachte eine Dose Hundefutter und Purzels Huhn. Ein nacktes Huhn, das erbärmlich quietscht, wenn sich Hundezähne in ihm festbeißen. Purzel beißt oft und gern drauf rum. Auf die Wanne hatte ich keine Lust mehr. Ich wählte die Schnellvariante und war nach knappen zehn Minuten aus dem Bad. Aber die zehn Minuten hatten gereicht. Der brave Purzel hatte die Lieblingspflanze meines Mannes „umgelegt“.  Der Elefantenfuß (Beaucarnea recurvata) lag auf dem Teppich und Purzel lag unschuldig dreinblickend daneben. Ich versuchte, so gut es eben ging, die Blumenerde mit Handfeger und Müllschippe von unserem hellen Teppich zu kratzen, aber ich ahnte schon, dass ich Martin das Unglück würde nicht verheimlichen können. Er kennt jedes Blatt seines „Elefanten“. Und so einige hatten ihren Halt verloren. Nach einer knappen halben Stunde hatte ich die Pflanze immer noch nicht gerade im Topf. Ich gab auf. Ich hatte auch Hunger. Purzel wich mir nicht von der Seite. Immer mit quietschendem Huhn im Maul. Ich stellte ihm eine Schüssel mit Wasser in die Küche. Ich wollte mir die gute Laune nicht verderben lassen. Jetzt ein ausgiebiges Frühstück, ganz in Ruhe. Ich deckte den Tisch, stellte die Kaffeemaschine an und warf die ersten Scheiben Brot in den Toaster. Ich toaste am liebsten Schwarzbrot. Es gibt nichts Besseres als getoastetes Schwarzbrot mit zerlaufender Landbutter und Honig. Als der Toaster durch Klacken fertiges Brot signalisierte, da klingelte es. Diesmal war es das Telefon.

„Hier ist…., ihr örtlicher Kabelanbieter.“

Ich wimmelte den Herrn vergleichsweise schnell ab. Aber bis ich erfuhr, dass er nicht wegen der dauernden Störungen, sondern als Verkäufer anrief, hatte es doch noch eine Weile gedauert. Nicht lange, aber lange genug, um meinen Toast kalt werden zu lassen. Ich mag den kalt aber nicht. Mülleimer, neuer Versuch.

Okay, ich kürze das Ganze ab: Nein, ich habe auch das zweite Paar Toast nicht gegessen. Da kam gerade der Mann von der Heizungsfirma, der den Schlüssel vom Keller vergessen hatte und mich bat, ihm doch kurz mal den Heizungsraum aufzuschließen. Vier Treppen runter, vier Treppen rauf. Toast kalt. Dann wollte Purzel raus. Also Gassi mit dem Königspudel. Der angeblich brave Hund zerrte permanent heftig an der Leine, aber vielleicht bin ich auch an seinem Benehmen schuld gewesen, ich habe keine Erfahrung mit Hunden. Ich war jedenfalls bald außer Atem und froh, als wir wieder zu Hause waren. Purzel auch, durstig schlürfte er die halbe Schüssel Wasser aus. Den Rest löffelte er mit seiner Zunge in die Küche. Ein Glück, dass es Scheuerlappen gibt.

Dreimal an diesem Tag habe ich den Drücker für die Haustür betätigt, weil jemand „Werbung, können Sie bitte machen auf“ oder etwas Ähnliches in den Lautsprecher der Gegensprechanlage rief. Die Müllabfuhr hat auch geklingelt, ich verstehe gar nicht, dass die keinen Schlüssel haben. Am Telefon wollte jemand mit mir über meine Rente sprechen. Ein anderer teilte mir mit, dass ich in einem Wettbewerb gewonnen hätte. Dann rief noch irgend so ein Meinungsforschungsinstitut an und wollte wissen, welche Partei ich wählen würde, wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre. Die Krönung war für mich aber der Anruf von meiner Nachbarin: Es würde leider länger dauern und da würde sie dann doch gern über Nacht bei ihrer Tochter bleiben. Sie käme aber dann am Mittwoch ganz, ganz früh, sie wisse ja, dass ich kurz nach Sieben aus dem Haus müsse. Was hätte ich machen sollen? Ihr sagen, dass ich ihren braven Purzel am liebsten ins Tierheim bringen würde? Sie fragen, wie sie denn hatte ahnen konnte, dass ich heute meinen freien Tag habe? Ich habe nur gesagt, dass das natürlich in Ordnung sei und sie solle sich keine Sorgen um Purzel machen, wir kämen schon gut zurecht.

Ich will ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn. Deshalb habe ich auch die Pakete angenommen. Ich wusste gar nicht, wie viele Pakete die Leute kriegen. Zuerst kam GPS, ein Paket für Familie Quant. Kurz nach Eins dann DPD, brachte gleich zwei, ein riesiges für Molitor und ein kleines für Wagner. Wagners kenne ich gar nicht, hoffentlich wohnen die wirklich hier. Gegen Abend brachte noch der Hermeszusteller ein Paket. Für Bisket, die wohnen im Hinterhaus.  Hätte der Zusteller mir beim Klingeln die Ausmaße seines Mitbringsels genannt, hätte ich trotz meines guten Willens die Annahme abgelehnt. Aber nun hatte er sich schon mit dem Teil in den vierten Stock gequät, da hätte er mir dann leid getan. Ich möchte mal wissen, was in dem mehr zwei Meter hohen Karton ist. Vermutlich eine Selbstbauschrankwand. Oder ein Bett in Teilen. Hoffentlich holen die Leute ihre Pakete bald ab.

Als mein Mann nach Hause kam und mich gefragt hat, ob ich einen ruhigen Tag hatte, habe ich ihm gesagt, dass ich froh bin, dass ich morgen wieder arbeiten gehen kann. Ist mir zu stressig mitten in der Woche zu Hause, der Dienstag hat gerreicht.

 

 

 

 

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Eine Antwort zu DIENST-TAG

  1. Miriam sagt:

    Maja, das glaube ich dir nicht. Weder wohnst du im vierten Stock, noch hast du einen Mann namens Martin. Und dienstags frei? Bist du da nicht als Moderatorin im Chat tätig? Einen Elefantenbaum habe ich bei dir auch noch nie gesehen…

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