Doping für alle – oder: Wer nicht mitmacht, der ist doof!

Mein Freund erzählt es immer wieder: Ein DDR-Schwimmtrainer habe auf die Frage, warum seine Schwimmerinnen denn so tiefe Stimmen hätten, geantwortet: „Die sollen ja schwimmen und nicht singen!“ Ja, die DDR-Mädchen, die mussten natürlich Pillen schlucken – und waren gedopt, aber das war ja auch DDR und ist längst Vergangenheit und Schuld sind die Stasi, die SC Dynamo-Trainer und ich.

Was wir noch nicht wissen, ahnen wir: Sie nehmen alle, was sie kriegen können – weil sie siegen wollen. Weil sie Dabei-sein-wollenDabei-bleiben-wollen oder Dazu-kommen-wollen schlucken oder spritzen sie: alles, was Leistungsverbesserung verspricht. Das ist doch verständlich: Die meisten wollen vom Sport leben können, möglichst gut. Wer will das jemandem verdenken. Und gut kann man nur vom Sport leben, wenn man gute (Werbe-)Verträge kriegt und gute Verträge kriegt man nur, wenn man siegt. Und siegen kann man nur, wenn man etwas hat, was die Leistung verbessert, weil sonst andere siegen, die etwas nehmen, was die Leistung verbessert. Und weil das auch die Teamleiter wissen, fordern die unter Umständen sogar dazu auf und wer nicht will, der wird Letzter und den beißen bekanntlich die Hunde. Also eigentlich wird er Allerallerletzter, denn er darf gar nicht mitmachen, weil die Teamchefs einen suchen, der nicht Letzter werden will und schluckt, was man ihm gibt und spritzen lässt, was man ihm anbietet und notfalls auch noch dafür bezahlt: Was soll der Geiz? (Ex-Radsportprofis Uwe Raab und Bernd Gröne haben Zeitungen erklärt, sie seien von der Teamleitung oder Betreuern zum Doping aufgefordert worden. „Als ich abgelehnt habe, war ich weg vom Fenster, meine Karriere besiegelt“, sagte der 44-jährige Raab der Mitteldeutschen Zeitung. Gröne sah sich in Recklinghäuser Zeitung ebenfalls als der gebissene Hund: „Im Grunde bin ich der Doofe, der nur mit dem, was er in den Beinen hatte, die Berge bei der Tour hochgeklettert ist und aussortiert wurde, weil er nicht mehr gut genug war.“)

Die anderen Profis haben damals – also vor ganz langer Zeit – alle gedopt. Das geben sie aber natürlich erst jetzt zu. Hätten wir damals gewusst, dass sie gedopt sind, hätten wir ihnen nicht zugeguckt? Irgend etwas muss doch spannend daran sein zu sehen, wie die sich das Herz aus dem Leib und die Potenz aus der Hose strammpeln. Andere Leute kaufen sich einen Hamster und gucken zu, wie der im Hamsterrad seine Runden dreht – sportbegeisterte gucken Tour de France. Wären wir sicher gewesen, dass die alle gedopt sind, hätten wir dann nicht hingesehen? Doch, wir hätten. Wenn zu befürchten gewesen wäre, dass einer tot aus dem Sattel fällt, hätten wir dann klassische Musik gehört, statt auf die Fernsehübertragung zu starren? Ich gebe es zu, ich hätte dann auch hingeguckt. Das läuft einfach so nebenbei. Man kann auch Wetten abschließen bei den einschlägigen Internetwettfirmen – kann auf Teams oder Fahrer setzen – und sich das Gucken dadurch spannender machen… Was interessiert es da, was die voher gegessen, gesrpitzt oder geraucht haben? Wenn doch alle das machen. Frau Merkel ist empört und will jetzt härter durchgreifen.“Die bisherigen Geständnisse und Ermittlungen reichen nicht aus, um reinen Tisch zu machen“, sagte Frau Merkel. „Jetzt muss den Dingen weiter konsequent auf den Grund gegangen werden.“ Nach den Geständnissen prominenter Radsportler habe sich ein Abgrund aufgetan, meinte sie. Der Abgrund war schon vorher da, behaupte ich. Offensichtlich habe es ein „unvorstellbares Ausmaß systematischer und fortgesetzter Manipulation“ gegeben, sagte Merkel. Alle Doping-Sünder hätten nun die Chance, ihr Schweige-Kartell zu brechen und ihrem Sport die Chance auf einen sauberen Neustart zu geben. Meint Frau Merkel. Ich meine: Die haben Null-Chance. Wer nicht verjährtes Doping zugibt und Aktiver ist, verliert seinen Job und eine Zukunft. Die andere Zukunft wäre zwar ehrlichere aber eine ziemlich arme – vermutlich. Die Gesundheit ruiniert durch Leistungssport und dann noch als „Verräter“ gesehen werden – mal sehen, ob es jemanden gibt, der den Weg geht. Bisher wurde immer nur zugegeben, was nicht mehr zu bestreiten war. Oder es war eigentlich alles ganz anders. (LEST HIER: „Lügen haben schnelle Beine“ – DER ARTKEL STAMMT AUS DEM JAHR 2000 !!!)

Ich bin dafür, Doping zu erlauben. Es kann sowieso niemand wirklich kontrollieren. Kaum gibt es neue Dopingkontrollverfahren, schon gibt es wieder Möglichkeiten, sie zu umgehen. Dann lieber ehrlich sein und alles erlauben. Und wir Zuschauer wissen: Die stehen immer kurz vor dem AUS, und wir finden dann den Sport noch spannender. Klar, manchmal steht dann ein Sarg auf dem Treppchen – aber das kann uns doch egal sein. Selbst schuld! Falsche Dosis!

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2 Antworten zu Doping für alle – oder: Wer nicht mitmacht, der ist doof!

  1. Miriam sagt:

    G. ist auch oft gedopt, wenn sie es an einem Schultag mal nicht ist, fällt das auch sofort unangenehm auf, ihr Banknachbar fragt sie dann, ob sie wieder ihr MPH einzunehmen vergessen hat. Und ich bin an Tagen, an denen viel Arbeit anliegt und ich mich lange konzentrieren können muss, auch gedopt. Und solange das Schulsystem sich nicht den vielen verschiedenen Gehirnen anpasst und statt dessen von den Schülern (und Lehrkräften) erwartet, dass sie sich unterwerfen, wird es gedopte Schüler und Lehrer geben. Wir machen alle mit und sind nicht doof.

  2. Miriam sagt:

    Im August letzten Jahres erschien im „Stern“ ein Artikel zur Medikation von AD(H)S-Schülern mit Methylphenidat, kurz MPH, dem Wirkstoff, der in Medikamenten, die die Symptomatik von AD(H)S unterdrücken, enthalten ist. „Heute schon gedopt?“ war der Artikel überschrieben und allein sein Titel verriet die Meinung, die durch ihn transportiert werden sollte. Der Ads-e.V. hat dazu Stellung genommen; die Stellungnahme ist verlinkt unter Pressemitteilung auf http://www.ads-ev.de/index.php?id=adsevhome.
    An den „Stern“-Artikel musste ich denken, als der „Spiegel“ Reporter zu den Radprofis schickte und sie dort die Frage stellen ließ. „Heute schon gedopt?“. Es wird eine Parallele suggeriert, die so nicht stimmt. MPH hilft den Betroffenen ihr Leistungspotential unter für sie ungünstigen Bedingungen in einem Schulbetrieb, an den sie nicht gut angepasst sind, auszuschöpfen. Es steigert ihre Leistung nicht über ihr natürliches Potential hinaus ins Unmenschliche und bei Menschen, die AD(H)S nicht haben, wirkt es nicht. Für viele Betroffene ist der Griff zu MPH eine letzte Verzweiflungstat, nachdem sie sich jahrelang die Vorwürfe anhören mussten, sie seien unordentlich, faul, undiszipliniert, aufmüpfig, respektlos, weiß der Geier, was es noch alles für schlimme Eigenschaften gibt, und sie könnten ja, wenn sie nur wollten! Damit unterscheidet MPH sich vom Doping im Sport.
    Allerdings stimmt es, dass der Griff zur Droge in beiden Fällen durch die Leistungsgesellschaft verursacht wird.
    „Und siegen kann man nur, wenn man etwas hat, was die Leistung verbessert, weil sonst andere siegen, die etwas nehmen, was die Leistung verbessert.“
    Aber MPH ist kein Doping, denn es wikt nicht leistungssteigernd, sondern ermöglicht es vorhandenes Potential freizusetzen. Insofern ist mein vorausgehender Kommentar sehr ironisch gemeint.

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