Die Ketwurst ist kein Hot-Dog!

Es gibt sie schon lange hier und da wieder: die Ketwurst. Nur Menschen aus dem ehemaligen nichtsozialistischen Ausland können behaupten, dass die Ketwurst nichts anderes sei als ein heißer Hund. Mein Lieblingswessi denkt das auch. Es ist falsch. Auch wenn Wikipedia inzwischen ebenfalls schreibt, die Ketwurst sei eine Abwandlung des Hot Dog. Vor einiger Zeit hat Wikipedia noch gemeint, die Würste hießen Kettwurst und zwar deshalb, weil sie in Ketten an die Imbissbuden geliefert würden. Inzwischen ist Wiki in dem Punkt korrigiert. Vom Ketchup kommt das KET und vom Würstchen die WURST: KET-WURST.

Aber in anderen Punkten ist Wiki eben nicht korrigiert. Die Ketwurst ist keine Abwandlung des Hot Dog. Sie ist im Gegensatz zu diesen weder nach den Hunden der Fleischer benannt (die Erfinder des Hot Dog sollen wurstförmige Hunde – nämlich Dackel - gehalten haben) – noch gehört zu einer Ketwurst irgendwelcher Kram wie Gurken oder Zwiebeln. Nein, ich habe nichts gegen Hot Dogs, überhaupt nichts. Ich esse sie sogar, einmal im Jahr ungefähr – bei Ikea, weil das zum Ikeabesuch gehört wie Kötbular. Aber eine Ketwurst bleibt was sie ist: Ein Stück von einer verlorenen Hoffnung.

Geschmeckt hat sie mir nie. Der Ketchup, der nach einem besonderen Rezept gemacht wurde, erinnerte im Geruch an den Fruchtketchup aus Werder, schmeckte aber gar nicht. Und die Wurst, eine Mischung zwischen Bockwurst und Wiener, war auch nicht wirklich ein Knüller. Trotzdem fand die Ketwurst damals reißenden Absatz und an der Ketwurstbude am Alex standen immer Leute an. Ich gehörte zu denen aber sehr, sehr selten…

Aber eine Ketwurst ist trotzdem nicht einfach ein Hot-Dog – auch wenn das für Westsozialisierte schwer zu begreifen ist: Sie ist der Versuch eines kleinen Landes, etwas anders und besser machen zu wollen. Der Versuch ist gründlich misslungen.

Seit vielen Monaten gehe ich beinahe täglich an einem kleinen Laden vorbei. Ich könnte hineingehen und mir eine Ketwurst kaufen. Aber das habe ich noch nie getan, ich mag Ketwurst ja gar nicht. Doch dass ich noch nie jemanden mit einer Ketwurst aus dem Laden kommen sah, das finde ich wirklich traurig.

Wenigstens kann ich aber meinem Lieblingswessi erklären, dass die Ketwurst dazu gedacht war, die Versorgung im Berliner Zentrum zu verbessern – die Gaststätten dort waren meist überfüllt. Die Erfinder der Ketchupwurstinschrippe, Mitarbeiter des HO-Gaststättenbetrieb Fernsehturm, wurden hoch geehrt. Aber das habe ich auch erst bei Wiki gelesen:

Auf der 3. Bereichsmesse der Meister von morgen erhielten ihre Erfinder eine „Anerkennung für ausgezeichnete Leistungen […] für das Exponat Versorgungslösung Ket-Wurst“. (Quelle WIKI)

Versorgungslösung ist ein Wort, dass nach dem ganzen Mief der DDR riecht. „Exponat Versorgungslösung Ket-Wurst“ dagegen klingt, als sei noch etwas zu retten.

Und wie das so ist: Da habe ich zwar ein Foto gemacht vom Ketwurst-Imbiss in Pankow, aber es ist verschwunden. Ich werde also ein neues Bild machen und dann hier einstellen. Die DDR ist auch verschwunden – und trotzdem, ich lasse mir nicht sagen, wie ich etwas erlebt haben soll. Meine Hoffnung bleibt eine Gesellschaft, in der die freie Entfaltung des Individums die Bedingung für die freie Entfaltung aller ist. Und das habe ich jetzt ganz frei aus dem Gedachtnis getippt und nun schlage ich im Original nach.

Kommunistisches Manifest: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist.“

 

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Eine Antwort zu Die Ketwurst ist kein Hot-Dog!

  1. Stürmer sagt:

    Danke für den tollen Artikel. Probieren Sie doch mal daß Original. Vielleicht mögen Sie die Ketwurst ja jetzt.

    MfG

    Stürmer

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