Heute wartete ich sehnsüchtig auf die Ankunft einer DHL Lieferung und schlich mich deshalb alle zehn Minuten zum Fester, um Ausschau nach dem gelben Wagen zu halten. Das erste gelbe Auto, das mir auffiel, gehörte aber nicht dem Postunternehmen, sondern einem Mann im schwarzen Anzug, der ein großes Gerät aus dem Kofferraum hievte – genau vor unserer Eingangstür – Neue Schönholzer Str. 12. Ein Leierkasten…
Ich vermutete, er wolle ins Rathaus, um im oder vor dem Standesamt einem Brautpaar eine Freude zu machen. Aber als ich nach zehn Minuten wieder aus dem Fenster sah, war der Leierkastenmann noch da und außerdem eine Menge anderer Menschen, sogar der Bürgermeister. Man versammelte sich vor dem Nachbarhaus. Von den gehaltenen Reden konnte ich nichts verstehen, aber die Leierkastenmusik schien irgendwie zu Hause und bahnte sich den Weg bis nach oben ans Fenster.
Erst als ich heute am Abend noch einmal das Haus verließ, fiel mir auf, dass die Karte, die seit gestern an der Mitteilungstafel hing, niemand mitgenommen hatte.
Leider habe ich die Karte gestern nicht umgedreht, ich hab ja nicht gewusst, dass es sich um eine Mitteilung an die Hausbewohner handelt – vermutlich haben meine Nachbarn die Karte auch nicht umgedreht. So konnten wir der Einladung nicht folgen – das ist schade, denn die mit einer Gedenktafel geehrte Nachbarin hätte unsere Aufmerksamkeit verdient.
Dass wir den kleinen Imbiss verpasst haben, ist leicht zu verschmerzen – aber es wäre gut gewesen, als Nachbarin mehr über Martha Wygodzinski zu wissen, die auch der „Engel der Armen“ genannt wurde und die von den Nazis in Theresienstadt ermordet wurde.
Für mehr Informationen:
1. Jüdische Miniaturen – Klick
2. Wikipedia – Martha Wygodzinski – Klick