Hilfreich: Bückwitz

Gestern habe ich wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Das verdanke ich einem kleinen Ort – Bückwitz - in dem ich vor vielen Jahren einmal gewesen bin, weil ich eine Leiche besuchen wollte. Diese Leiche wollen viele besuchen, allerdings findet man sie nicht direkt in Bückwitz sondern in einem Nachbarort: Kampehl. Kampehl wiederum ist ein Ortsteil von Neustadt. Bei der von mir besuchten Leiche handelt es sich um einen Ritter, der sich wenig ritterlich benommen haben soll – er mordete. Der Herr brachte einen Schäfer um, dessen Weib ihm das „Recht der ersten Nacht“ verweigert hatte. Gewöhnlich verweigerte ihm das keine, handelte es sich doch um ein festgeschriebenes Gewohnheitsrecht. Aber die Tochter des Bückwitzer Schmiedes mochte sich dem Herrn Kahlbutz nicht hingeben.  Als der Schäfer, Ehemann der mutigen Dame nun gewohnheitsrechtmäßig seine designierten Pullover über die Bückwitzer Liegenschaften des Ritters trieb, nahm der Herr Ritter blutige Rache und meuchelte den Gatten der Beischlafverweigerin. Die zur Witwe gemachte Bückwitzerin zeigte das Verbrechen an. Eine finstere Geschichte, denn der Täter wurde freigesprochen – schwor damals ein Ritter – galt das als Unschuldsbeweis. Christian Friedrich von Kahlbutz, beschwor seine Unschuld und war dadurch mindestens daran schuld, dass ich vor vielen Jahren Bückwitz und Kampehl kennenlernte. Er schwor nämlich mit folgenden Worten: „Bin ich es gewesen, will ich nicht verwesen!“ Und so geschah es denn: Seine Leiche verweste nicht… Diese nette Geschichte war schon zu DDR-Zeiten Grund genug, neben Kyritz – an der Knatter - auch gleich Bückwitz und Kampehl zu besuchen.

Gestern half mir Bückwitz, die Welt besser zu verstehen. Ich weiß jetzt, warum der gewöhnliche Ossi und der gemeine Wessi noch immer wie Hund und Katze miteinander umgehen und sich weiterhin häufig missverstehen. Es ist ähnlich und doch ganz anders  als bei unseren vierbeinigen Freunden.

Da kommt ein Hund - freudig erregt über die Begegnung - einer Katze entgegen, er wedelt mit dem Schwanz und zeigt damit seine Freude deutlich sichtbar an.

Problematisch daran ist nur, dass die Katze ihn missverstehen muss – erhobener und wedelnder Schwanz heißt nämlich auf katzanisch: „Achtung, komm mir nicht zu nahe, lass mich in Ruhe, sonst wisch ich Dir eine!“

„Oho,“ denkt sich die Katze, den schwanzwedelnden Hund betrachtend: „Der kennt mich gar nicht, will mir aber an’s Leder? So ein dummer Kerl, der soll mir nur nicht zu nahe kommen, sonst kriegt er meine Krallen ins Gesicht!!!“ Zum Zeichen des drohenden Angriffs tut sie, was Katzen als Drohgebärde so tun: Sie stellt den gesträubten Schwnaz in die Höhe und bewegt ihn – natürlich (!) wedelnd – hin und her.

„Toll“ denkt der Hund „die freut sich auch!“ Weiterhin schwanzwedelnd stürzt er auf die neue Bekannte zu… Wie so eine Begegnung aussieht, das wissen wir alle. Wie sie ausgeht, hängt von den Beteiligten ab.

Andere Situation: Miez hat schlechte Laune. Vermulich hat es am Morgen Dosenfraß vom Discounter gegeben statt der Nobelmarke – und mit Petersilie wurde das Fressen auch nicht aufgewertet. Die Dosenöffner sind außer Haus: Futtergeld verdienen.

Miez macht also schlecht gelaunt einen Verdauungsspaziergang und begegnet Wuffi. Sie legt die Ohren an, was so viel heißen soll wie: „Mir reicht es für heute – bin indisponiert – hau ab, oder…“ 

Wuffi interpretiert das aber ganz anders, denn angelegte Ohren bedeuten für ihn: „Ich bin Dein Untergebener und ganz lieb!“ „Aha,“ denkt er also, dann geh ich doch mal auf Miez zu und leck sie ein bissel ab, wir können ja auch ein bissel spielen…“  Auch wie diese Begegnung ausgeht, ist von der Konstitution der beiden Kontrahenten abhängig.

Selbst die LAUT-Äußerungen KNURREN und SCHNURREN können zu erheblichen Kontroversen zwischen Wuffi und Miez führen, sind sie doch leicht zu verwechseln… 

Bei Hund und Katze können Menschen vermittelnd Einfluß nehmen. Wer aber vermittelt bei uns? Im Unterschied zu unseren vierbeinigen Freunden beruhen unsere Missverständnisse allerdings meist auf verbalen Verständnisschwierigkeiten.

Worauf ich hinaus will? Nun, woran erinnert Bückwitz? Klingt ja bemerkenswert der Ortsname. Als erstes fiel mir BÃœCKWARE dazu ein. Und schon war es wieder einmal so weit: Wir verstanden uns nicht – mein Lieblings-Wessi und ich. Bückware und Bückware sind nämlich noch lange nicht dasselbe, sind identisch nur in Orthografie und Aussprache – in den Köpfen sind sie aber gleichen sie sich nicht einmal. Bückware, das ist für den Ostkopf, Zeug, das man von einer wohlmeinenden Person als besondere Freundlichkeit von „unter dem Ladentisch“ überreicht bekommt – danach muss sich der Ãœberreicher bücken – während man selbst in aufrechter Haltung bleibt. Für den Westkopf aber ist Bückware das Zeug, nach dem er sich selbst bücken muss, für das er aus seiner ansonsten aufrechten Haltung eine Bückbewegung ausführen muss, sich nämlich bücken. Das tun alle Menschen weniger gern, auch Wessis. Aber dort sind ja die Waren plaziert, die die soziale Komponente der Warenwirtschaft (nicht Marktwirtschaft) sind, die preiswerteren und die billigen, nach denen sich niemand gerne bückt – es sei denn er muss. Vermutlich ist wegen der Unbeliebtheit des Bückens auch der Bückling aus der Mode gekommen – womit ich natürlich um allgemeinen Missverständnissen vorzubeugen – nicht den FISCH BÃœCKLING meine, sondern sein Teekesselchen: den BÃœCKLING, die Verbeugung. West-Bückware ist also das Zeug, das ganz unten in den Regalen steht Ost-Bückware, die besondere, seltene, knappe Ware. Womit bewiesen wäre, dass der Ortsname BÃœCKWITZ sehr hilfreich ist, fördert er doch das allgemeine Verständnis füreinander. Vorausgesetzt man redet miteinander. Oder spielt TEEKESSELCHEN – denn das Spiel fördert die Sprachkompetenz und unter Umständen auch das deutsch-deutsche Verständnis.

 

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