Klein, grau und schuldig

Wer hat die Vase kaputt gemacht? Wer hat das Paket Kekse aus dem Schrank genommen? Wer hat seinen Füller auf dem Sofa auslaufen lassen? Wer war auf der Toilette und hat vergessen, die Spülung zu betätigen? Wer hat den Locher benutzt und nicht wieder an seinen Platz gestellt? WER WAR DAS?

Natürlich wollte es keiner gewesen sein. Ich nicht, behaupteten alle. Alle vier Kinder einer mir sehr nahe stehenden Familie waren geübt, den Verursacher irgendwelcher Missgeschicke oder Versäumnisse außerhalb ihrer eigenen Person zu bestimmen. Nein, sie waren es nicht, sie waren nicht verantwortlich, nicht schuldig. Völlig unschuldig. Es gab sogar gute, erzählbare Gründe, warum gerade sie es gar nicht gewesen sein konnten. Es musste also jemand anderes schuldig sein. Obwohl weder Schläge noch drastische Strafen zu erwarten waren, wälzten die Kinder die Verantwortung ab. Aber irgendjemand musste es doch gewesen sein, irgendjemanden musste die Schuld doch treffen. So gesellte sich zu den vier lebenslustigen, unschuldigen und wohlerzogenen Kindern ein fünftes: das kleine graue Kind. Man sah es nie, es sagte nichts, weinte nicht, schrie nicht und verlangte nichts. Aber es war immer schuld. An allem. Es war ungezogen, unordentlich, unsauber und überhaupt „UN“. Nur eines eben nicht: UNSCHULDIG.

Die Erwachsenen erfinden sich leider auch immer und überall kleine, graue Kinder. Zu sagen: „Ich habe versagt, ich habe einen Fehler gemacht“, das gilt immer noch als Schwäche, nicht als Stärke. Und immernoch hat der Erfolg viele Mütter und Väter, während der Misserfolg ein Waisenkind ist. Ein kleines, graues natürlich!

Und wer ist bei (m)einem Fußballverein schuld an den Niederlagen, Misserfolgen? Die Personen im Verein? Nein, natürlich nicht! Es ist der kleine, graue Fan.

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