Uneingeschränkte Filmempfehlung: Wildes Herz

Meine Filmkritik, die ein Filmlob ist, muss keinerlei fremden Maßstäben genügen, deshalb darf sie ganz privat sein. Es ist schön, so frei zu sein. Deshalb darf ich sagen, dass mir der Film schon deshalb nah ist, weil ich die Orte kenne, weil die Heimat – ja, das ist ein Heimatfilm – des Protagonisten Monchi auch eine meiner Heimaten ist.

Die meisten Menschen, denke ich, haben mehr als eine Heimat. Der Trend geht auch hier zum Plural.

Da ist der Ort, an dem sie aufgewachsen sind – und vielleicht ein anderer, an dem sie mit den Eltern die Wochenenden verbrachten. Oder der Ort, an dem sie bei Oma und Opa die Ferien verbrachten. Oder ein Ort, an dem sie irgendwann ankamen, nach der Ausbildung. Der Ort, an dem die Liebste oder der Liebste wohnte. Es gibt viele Orte, an denen Mensch Heimat finden kann, weil dort Menschen sind, die andere Menschen lieben können. Bäume, Felder, ein Kuckuck und ein Pferd…

In dem Mecklenburg, in dem die Monchi zu Hause ist, verbrachte ich viele Sommer und manchmal auch die Winterferien – Anklam, Jarmen – Orte der Kindheit.  Das vergisst man nicht. Nicht die Schwalben und die Millionen Fliegen am Pferdestall, von denen ich hunderte erschlug, um mein Schwalbenjunges durchzubringen. Meine Großtante Berta habe ich natürlich nicht vergessen und nicht die angewärmten Betten im Winter, nicht die Ziege und schon gar nicht die Armut der Region. Die Sprachfärbung im Film umarmt mich heimatlich. Dort starb das Küken nicht. Es hieß: Das Küken is do(o)t geblieben. Nie werde ich das vergessen.

Und warum lohnt es sich für alle, den Film zu sehen?

Ja, es ist ein Heimatfilm. Eine Heimat hat jeder, oder fast jeder. Monchi will seine Heimat nicht denen überlassen, die sie braun einfärben möchten, vielleicht auch ein wenig blau – aber vor allem einfärben mit Ausgrenzung, Hass und Intoleranz. Die sind schon da, die leben da und machen sich überall breit. Durch die Heimat von Monchi marschieren Nazis, die AFD bekommt mehr als 20 % der Stimmen.

Gut, dass Monchi singen kann. Dagegen ansingen. Für eine andere Gesellschaft singen mit den Leuten seiner Band und manchmal auch mit anderen… Campino zum Beispiel.

Gut, dass Monchi singen kann. Naja, ich sage mal, er hat Gewalt in der Stimme und wiegt ein paar Kilo zu viel. Er trägt New Balance und sagt, was er denkt. Der lacht über Nazis und hat genügend Wut. Ein Typ, den ich kenne. Damals, bei Hansa Rostock…  Nicht wirklich, aber irgendwie. Fußballfan eben zuerst und dann auch ein bissel Stress gehabt. Na, wie das so ist. Da ist der Bahnhof, an dem der Zug nicht weiterfährt. Die Fans frustiert. Das ist eine Kurzfassung dessen, was passiert, wenn Leute frustriert sind: Diese wackligen Bilder aus einer Amateurkamera halten den kleinen Krieg fest. Den geduldeten Inlandskrieg. Frustabbau auf beiden Seiten und ein paar Verletzte.

Fußball ist unpolitisch. Zuerst. Dann plötzlich nicht mehr. Immer je nachdem.

Wildes Herz – das ist ein Heimatfilm. Ein antifaschistischer Film. Ein Musikfilm. Ein Jugendfilm. Ein Film über die Frage nach dem Abhauen und Dableiben. Die dort Musik machen, entscheiden sich fürs Dableiben und für den Kampf. Das klingt rau, nach SKA und Punk und ist eben ruppig und struppig und lebendig. Und Kunst.

Monchi wird nicht zum Helden gemacht. Er will auch keiner sein. Nimmt kein Handtuch mit ins Bad (das versteht ihr, wenn ihr den Film seht) und ist auch sonst nicht immer nur toll.

Der Film macht Mut. Aufstehen ist nicht sinnlos. Das ist sein allergrößter Verdienst. Danke an Monchi und die Filmemacher (Charly Hübner und Sebastian Schulz für Drehbuch und Regie) und an Feine Sahne Fischfilet.

 

 

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