ICH! – oder: Wenn der Spiegel schäumt…

Soeben erreichte mich ein lauter Ruf aus dem nachbarlichen Zimmer: Der Spiegel schäumt, hieß es. Per elektronischer Post erhielt ich dann auch den Link zur schäumenden Realität.

Schuld ist wieder einmal der Kommunismus. Zwar gibt es und gab es ihn noch nicht, aber die bloße Ankündigung einer Linken ihn zu wollen, erregte natürlich mehr öffentliches Ärgernis bei Montags-Bild, als die Tatsache, dass Deutsche in Afghanistan Krieg führen.

Der Spiegel titelt:

Linke-Chefin erklärt Kommunismus zum Ziel der Partei

Der Spiegel-Autor Stefan Berg ist entsetzt:

Klartext bei der Linken: Mitten in der Programmdebatte bekennt sich Parteichefin Gesine Lötzsch zum Kommunismus. Im Marxisten-Blatt „Junge Welt“ hat sie einen Text platziert – darin fehlt jedes kritische Wort über die Verbrechen, die im Namen der Ideologie begangen wurden. (Quelle: Spiegel)

Pfui Teufel! Die Parteiprogramme von CDU, SPD und FDP hingegen quellen geradezu über von all den Entschuldigungen den Menschen in aller Welt gegenüber, die der hochgelobte Kapitalismus mit Krieg, Hunger und Armut beschenkt.

Stefan Berg nennt das Bekenntnis der Vorsitzenden der Linken einen Skandal für die Partei. Gesine Lötzsch hat es gewagt, die Errichtung des Kommunismus zum Ziel der Linken zu erklären.

Nicht nur der Text ist für die Partei ein Skandal, auch das Umfeld der Veröffentlichung: Er wurde gedruckt im Marxisten-Blatt „Junge Welt“ – als Vorabdruck einer Rede, die Lötzsch am 8. Januar halten will, auf einem Sektierer-Kongress in Berlin, auf dem auch ein hohes DKP-Mitglied und die Ex-Terroristen Inge Viett sprechen werden. Thema: „Wo bitte geht’s zum Kommunismus?“ (Stefan Berg im Spiegel)

Nicht nur, dass es das „Marxisten-Blatt“ trotz alledem gewagt hat im real existierenden Kapitalismus zu überleben, nein, es veröffentlicht jetzt auch noch die Rede der Vorsitzenden der Linken  als Vorabdruck. Laut Berg wird sie die Rede auf einem Sektiererkongreß halten. Was Berg als einen Sektiererkongress bezeichnet, ist die alljährliche Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz. Die Veranstaltung wird von eben jener Tageszeitung organisiert, die Berg ein Marxisten-Blatt nennt, als sei Marxist ein Schimpfwort. Den Namen des Kongresses erwähnt Berg natürlich nicht – Rosa Luxemburg passt nicht ins Artikelkonzept. Dass sie für die Freiheit der Andersdenkenden plädiert hatte, war der westlichen medialen Öffentlichkeit recht, als es sich um sogenannte „Regimekritiker“ der DDR handelte, die sich auf sie beriefen, aber in der sogenannten freien Gesellschaft hat Rosa Luxemburg nichts zu suchen.

Berg beschwert sich, dass Gesine Lötzsch in ihrem Vortrag nicht über die Blutspur des Kommunismus redet -  erwähnt aber nicht, dass täglich 25 000 Menschen an Hunger sterben und schweigt sich über die Toten des Irakkrieges aus. Die Blutspur des Kapitalismus scheint ihn nicht zu interessieren. Und das obwohl der Kommunismus eine Utopie geblieben ist,  während der Kapitalismus in fast allen Ländern der Erde machtvoll demonstriert wie menschenverachtend er ist.

Natürlich erwähnt Herr Berg auch nicht, dass zu den Unterstützern des „Sektierer“-Kongresses so eine Sektierer- Organisation wie die Gewerkschaft ver.di  gehört.

„Wo bitte geht’s zum Kommunismus“ ist tatsächlich die Ãœberschrift einer Podiumsdiskussion während der Rosa-Luxemburg-Konferenz, auch wird wirklich die von Berg erwähnte  Inge Viett daran teilnehmen.  Bei dem von Berg ebenfalls erwähnten hohen DKP-Mitglied handelt es sich um die Vorsitzende der Partei Bettina Jürgensen. Dass der Spiegelautor die Vorsitzende der DKP mit „ein hohes Mitglied“ umschreibt und die ebenfalls teilnehmende Katrin Dornheim – Betriebsratsvorsitzende bei der DB Station & Service AG (Transnet) nicht nennt, passt in mein Bild von parteilichem Journalismus.

Die Frage “ Wo bitte geht’s zum Kommunismus“ gefällt mir. Ich würde gern wissen, wo es zum Kommunismus geht – und wie gleich dazu. Gäbe es eine Wegbeschreibung, würde ich schon mal loslaufen. Vermutlich wird die Frage aber auch auf der Rosa-Luxenburg-Konferenz nicht beantwortet – aber wenigstens gestellt!

Was der Diskussionsbeitrag von Gesine Lötzsch auslösen wird, weiß der Spiegel genau:

Dieser Text wird die Debatte um die Partei Die Linke verändern. Bislang gab es Diskussionen um einen Vorsitzenden, Klaus Ernst, dessen lächerlichen Sprüche und seinen Lebensstil. Lötzschs Outing wirft ganz andere Fragen auf: Will sie die Partei damit für alle Linken und Linkssektierer öffnen? Will sie damit jeden vermeintlichen Abweichler zurückholen?

Der Wähler hingegen dürfte sich aber folgende Frage stellen: Wo bitte treibt diese Linke hin? Und wer will eigentlich in diesem Land den Kommunismus?

Die letzte Frage beantworte ich schon mal: ICH! Ich will in diesem Lande den Kommunismus. Und andere wollen das auch. Vielleicht sind wir sogar schon mehr als ich denke.

ROSA _ LUXEMBURG _Konferenz

ROSA _ LUXEMBURG _Konferenz

Podiumsdiskussion:

Wo bitte geht’s zum Kommunismus?

Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie – Wege aus dem Kapitalismus

Die alte große Frage. Russische Kommunistinnen und Kommunisten unter Lenins Führung beantworteten sie mit der Oktoberrevolution 1917. Für Rosa Luxemburg war die Gründung der KPD im Jahr 1919 die klare Antwort. In den Jahrzehnten danach bestimmten revolutionäre Strategien den Geschichtsverlauf. Der Imperialismus stieß immer wieder an Grenzen. Seit dem Untergang der sozialistischen Staatengemeinschaft, des gescheiterten historischen Bruchs mit dem Kapitalismus, fallen die Schranken, die durch sie gesetzt wurden. Die herrschende Klasse reagiert mit sozialen und militärischen Aggressionen auf die sich zuspitzenden Widersprüche und Krisen im kapitalistischen System. Das führt zu weltweiten Kämpfen und erfordert dringend adäquate Strategien zu dessen Überwindung.

  • Katrin Dornheim – Betriebsratsvorsitzende bei der DB Station & Service AG (Transnet), Berlin
  • Inge Viett – Radikale Linke
  • Bettina Jürgensen – Vorsitzende der DKP
  • Gesine Lötzsch – Vorsitzende Die Linke
  • Claudia Spatz – Antifa, Berlin

Moderation: Ulla Jelpke (MdB), Die Linke

Generalstreik

Generalstreik







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2 Antworten zu ICH! – oder: Wenn der Spiegel schäumt…

  1. dietmar koschmieder sagt:

    liebe maja wiens,

    da ich mich aus beruflichen gründen (und ich genieße dabei das privileg, daß es auch meine persönlichen sind) durch all den scheiß und die bescheuerten kommentare in dieser sache wühle, bin ich eher zufällig auf deine überlegungen gestoßen. hat einfach gut getan! ich will auch den kommunismus, sind wir schon mal drei. und ich glaube wie du, daß es in wirklichkeit viel, viel mehr sind. mal sehen.

  2. Helmut Linde sagt:

    Kommunismus?
    Den will ich auch! Wo gibs den?
    Aldi-Norma-Real-Kaufland-Cuba-DDR-Korea-oder,oder,oder 🙂
    Dazu gehört eine WENDE und stecken wir ganz fett drin. Euro im Ars**, Europa im Ars**, überall Krieg und Vernichtung, – …. da sollte doch was gehen???!

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