Die Völker wandern

„Du bist geboren
In der Zeit der
Völkerwanderung:
Die Völker wandern
Von unten nach oben.“

Diese Zeilen aus einem Gedicht von Johannes R. Becher begleiten mich schon seit Jahrzehnten. Aber mir scheint, die Völker wandern jetzt – heutzutage wieder anders: Die einen müssen auswandern und die anderen wandern nach rechts.

Und auch denk ich an das andere Gedicht, das Lied, das ich ebenso sehr mag – Heimat, meine Trauer – es fiel mir sofort ein, als ich vor einigen Tagen den Artikel „Deutschland soll werden, wie es nie war“ von Daniel Schreiber in der Zeit las. 

Schreiber meint: „Heimat“ ist kein politisch unschuldiger Begriff, daran ändert ein Ministerium nichts. Wir sollten das Wort dem rechten Rand überlassen.“

Nein, ein „Heimatministerium“ brauchen wir nicht, da bin ich seiner Meinung – aber das Wort lass ich mir nicht rauben. Und schon gar nicht, will ich zum Komplizen des rechten Rands erklärt werden, wenn ich das Wort Heimat benutze.

„Man sollte den Begriff der Heimat unbedingt dem rechten Rand überlassen – wenn man ihn übernimmt, legitimiert man sein nationalistisches, fremdenfeindliches und populistisches Potenzial und leistet unfreiwillig Schützenhilfe. Man adelt die erneute politische Instrumentalisierung dieses Begriffs nur, indem man ihn hilflos selbst zu instrumentalisieren versucht“, schreibt Herr Schreiber.

Weder bin ich hilflos, noch muss ich den Begriff instrumentalisieren. Meine Heimat ist weit. Weit in mehrfacher Bedeutung. Da höre ich Ernst Busch singen – Spaniens Himmel), mein Heimatsbegriff ist eben größer als mein Zuhause. Und an unseren Heine denk ich, Wintermärchen und Lebensfahrt.  An Hölderlin denk ich – Heimat. Und mit denen kann ich auch unterwegs daheim sein. In der Fremde und in der Heimat gleichzeitig, ein wenig jedenfalls.

Und ja, auch das versunkene Land ist mir Heimat immer noch, ich blicke zurück mit nur wenig Zorn. „Unsere Heimat, das sind nicht nur die Flüsse und Berge“… „Und wir lieben die Heimat, die schöne /Und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört“.  Das hat sich erledigt, alles gehört inzwischen anderen – nur nicht dem Volk, nicht einmal das Wasser.

Heimat ist mir die Landschaft an der Oder (auf beiden Seiten der Grenze), auch die Ostsee ist mir Heimat und die Gänse an der Alster in Hamburg sind Heimat und nun auch noch Damaskus, obwohl ich dort noch niemals war. Heimat sind mir die Menschen, die ich mag und Orte, denen ich mich verbunden fühle und auch die deutsche Sprache ist mir Heimat.

Sprache dient der Verständigung und wenn nun jeder unter „Heimat“ etwas anderes verstünde, dann wäre das traurig – aber an der Reduzierung auf „röhrendes Rotwild“, „wogenden Weizen“, und „bayrisches Bier“ will ich mich nicht dadurch beteiligen, dass ich denen das Feld überlasse, die sich das wünschen.

Hier der Link zum Artikel in der Zeit – ich empfehle ausdrücklich, auch mal in den Kommentare zu lesen, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat – Deutschland soll werden, wie es nie war (Zeit)

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