Gesundheitspflege

Es begann mit einem leichten, aber sehr unangenehmen Kratzen im Hals. Dann blieb die Stimme weg.  Das Halskratzen war so unangenehm, dass ich nach Honig suchte, um mir mit einer heißen Honigmilch Linderung zu verschaffen. Wie bei anderen Dingen auch, immer wenn man sie braucht, sind sie gerade nicht im Haus. Und es war Sonntag. Der Späti, dachte ich, müsste Honig haben. Er musste nicht. Im Café nebenan, dass das Glück im Namen trägt und sogar für Veganer ein gute Adresse ist, lächelte die Kellnerin über meine tonlose Stimme. Aufschreiben half und sie verpasste mir eine heiße Milch to Go. Naja Glück gehabt, wenigstens etwas.

Meine Nachbarin spendete ihren Rest an Honig, und so rettete ich mich über den Sonntag. Am Montag hatte ich Fieber und C. raste zur Apotheke. Zurück kam er mit allerlei Mitteln, Paracetamol, Tantum Verde und Ipalat. Und Honig, Biohonig, zweimal, einmal für mich und einmal für die Nachbarin. 15 € für die Medikamente und einen knappen Zehner für den Honig, was tut man nicht alles, um halbwegs auf den Beinen sein zu können. Am Mittwoch kam meine Stimme langsam wieder, das Fieber blieb auf niedrigen Niveau stabil und Schnupfen und Husten machten sich breit. Immerhin nun konnte ich wenigstens jammern. C. raste wieder zur Apotheke, brachte Pulmotin und Hedelix und irgendwelche Nasentropfen. 15 €. Leider half alles nichts, fester Husten, anhaltendes Fieber, ein dominantes Schwächegefühl und meine Umgebung zwangen mich am Montag zum Arzt.

Der verschrieb mir: Capval und Soledum. Beides holte ich umgehend aus der Apotheke. Die Kasse zeigte einen Betrag von 21 €.  Angesichts von mehr als 50 €, die ich innerhalb einer Woche in die Wiederherstellung meiner Gesundheit investiert hatte, fragte ich mich, was wohl diejenigen machen, die vom Hartz4 Satz überleben sollen.

Während ich bezahlte, fragte ich das auch die Apothekerin. Sie musterte mich von oben bis unten, als habe sie einen Verbrecher ertappt. Dann zuckte sie schweigend mit den Schultern und drehte sich – weiterhin schweigend – weg.

Nur mal zur Erinnerung: Regelbedarf seit  dem 01.01.2015 399 € ( der steigt am 1.1.2016 auf 404 €)

Und wie soll der arme Mensch das aufteilen?

Anteil am Regelbedarf Kommentar in € von der RL
Nahrung, alkoholfreie Getränke  Sarazin lesen – dann klappts auch 141,65 €
Freizeit, Unterhaltung, Kultur  Kultur braucht man schließlich nicht! 44,05 €
Nachrichtenübermittlung  wozu das denn? 35,23 €
Bekleidung, Schuhe  Kick und Co, zweite Hand sowieso 33,52 €
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung  Licht aus, dann sieht man die dreckigen Wände nicht! 33,36 €
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände  Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher, Teller und Tassen halten heutzutage beinahe ewig 30,24 €
andere Waren und Dienstleistungen  nicht übermütig werden und: Selbst ist der Mann 29,21 €
Verkehr Laufen ist gesund! Fahrrad pflegen! 25,14 €
Gesundheitspflege  Wenn das nötig wäre, würde es ja die Krankenkasse zahlen! 17,16 €
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 50 Jahre sparen und dann ab nach Malle in Urlaub! 7,90 €
Bildung  Was soll das denn? So viel? 1,52 €

Ãœbrigens, wenn zwei ein Paar sind, bekommen sie nicht etwa das Doppelte, nein, sie bekommen beide weniger. Tja, zu zweit ist das Leben als Hartz4-Empfänger noch gefährlicher, erstens kann man sich leichter anstecken und zweitens hat man noch weniger für die „Gesundheitspflege“.

Da könnte man glatt ins Gras beißen. Aber das nützt auch nichts. C. erzählte mir heute von der Aufforderung eines Jobcenters an einen Verstorbenden, zur Einstellung der Leistung Stellung zu nehmen. Die könnte ja dann so aussehen:  Liebes Jobcenter, ich bin mit der Einstellung der Leistung einverstanden, da ich weder Leistungen für Nahrung, alkoholfreie Getränke, Freizeit, Unterhaltung, Kultur noch für Gesundheitspflege usw. benötige. Allerdings wird Sie meine Nachricht vermutlich nicht erreichen, da Sie mir die 35,23 € für Nachrichtenübermittlung ebenfalls entzogen haben. Ihren Sanktionen wegen meiner ausbleibenden Stellungnahme sehe ich mit Interesse entgegen und teile Ihnen vorsorglich bereits jetzt mit, dass diese rechtswidrig sind. Außerdem teile ich Ihnen mit, dass ich meinen Wohnsitz – ohne Ihre Genehmigung – verändert habe.  Post also bitte an meine neue Anschrift: Wolke 7.

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2 Antworten zu Gesundheitspflege

  1. Miriam sagt:

    Liebe Maja, Zyniker wie beispielsweise Sarrazin würden auf Deine Frage, was HartzIVlinge und Geringverdiener mit zu wenig Geld trotz Arbeit wohl tun würden, antworten: „Ja, muss es denn unbedingt BIO-Honig sein?“ Gute Besserung Dir! Miriam

  2. Maja Wiens sagt:

    …da steht nur BIO drauf, was drin ist, weiß man nicht :-). Auch wenn es kein Volkswagen ist. Danke Miri, es kratzt nur noch ein wenig :-).

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