Namen sind Schall und Rauch

Die bekannte Redewendung stammt aus Goethes „Faust“.  Den hat offenbar Frau von der Leyen nicht gelesen oder nicht verstanden, sonst wüsste sie, dass eine Umbenennung der Grundsicherung, des Sozialgeldes und des Arbeitslosengeldes II in ein gemeinsames „Basisgeld“ Unfug ist. Eigentlich müsste ich schreiben: „hätte sie gewusst“, denn der unsinnige Vorschlag scheint ja vorläufig vom Tisch zu sein.

Frau von der Leyen und mit ihr die versammelten Medienberichterstatter haben nichts verstanden. Sie wissen offenbar nicht einmal, dass es den Begriff „Hartz IV“ als Leistungsbegriff gar nicht gibt. Im Gesetz heißen die Leistungen wie oben aufgeführt – der Volksmund hat des Kaisers neue Kleider erkannt und benennt die nackte Wirklichkeit Hartz IV.

Für das Volk wird Hartz IV auf jeden Fall Hartz IV bleiben, trotz eventueller Umbenennungen – auch weil sich im Begriff die Schizophrenie der Sache vereint:

Auf der einen Seite ist der Name Peter Hartz verbunden mit der unsäglichen Diskriminierung und sozialen Unterdrückung weiter Bevölkerungsschichten. Alte, Kinder, Kranke und Arbeitslose sind Zielscheibe einer Politik, die sie in Armut drängt und versucht, ihnen die Würde zu nehmen.

Auf der anderen Seite steht der Name Peter Hartz auch für einen wegen Untreue und verbotener Begünstigung verurteilten Manager. Natürlich musste er nicht in den Knast, obwohl ihm für jede seiner 44 Taten eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren drohte. Das Gericht machte „kurzen“ Prozess und – für den VW-Vorstand gab es lediglich eine Bewährungsstrafe und eine Geldstrafe in Höhe 576000 €. Der Gesamtschaden der Schmiergeldaffäre bestand allerdings in 2,6 Millionen, wovon Hartz runde 2 Milliönchen an den käuflichen Betriebsrat Klaus Volkert bezahlt hatte. Dass auch (wie Sarrazin) Hartz Mitglied der SPD ist, passt zum Zustand der Partei.

Natürlich geht es nicht um Namen. Namen sind Schall und Rauch.

Es geht ums Gefühl. Wie fühlt sich ein Zehnjähriger, dessen Familie eine „Hartz IV“-Familie ist und der nicht an der Schulspeisung teilnehmen kann, weil sie zu teuer ist?  Wie fühlt sich die die Rentnerin, die „Hartz IV“ beantragen muss, weil ihre Rente nach 40 Arbeitsjahren nur 500 € beträgt und die, damit sie Anspruch auf Leistungen hat, sogar ihre Laube in der Kleingartenkollonie „Frohe Zukunft“ verkaufen muss, weil die mehr wert ist, als das „erlaubte“ Vermögen von 2700 €. Wie fühlen sich all jene, die auf die sogenannten staatlichen Transferleistungen angewiesen sind?

Glaubt man der Hetze in manchen Medien, besteht die Mehrheit der sogenannten Leistungsempfänger aus faulen Menschen, die sich auf Kosten anderer ein schönes Leben machen wollen. Diese Stimmungsmache ließe sich leicht ad adsurdum führen, verriete man, wie es wirklich aussieht. Schon die annähernd zwei Millionen Kinder und die ebenfalls annähernd zwei Millionen Alleinstehenden, die auf Leistungen angewiesen sind, beweisen, dass der Fehler nicht beim Einzelnen sondern im System liegt. Etwa die Hälfte aller Empfänger von Arbeitslosengeld II ist gar nicht arbeitslos gemeldet, sondern bekommt die Leistung ergänzend zum Lohn, weil sie von dem nicht leben können. Das ist ein Skandal – nicht irgendein Einzellfall.

Aber die Wirklichkeit wird verschleiert. Verlogene Statistiken, Stimmungsmache gegen sogenannte Sozialbetrüger und die immer wieder aufgestellte Behauptung, auf Grund der Staatsverschuldung sei bei den staatlichen Transferleistungen das Ende der Fahnenstange erreicht. Gespart wird bei den Ärmsten, finanziert werden die Banken. Weite Teile der Medien machen da mit.

Undenkbar wären vor noch 15 Jahren Äußerungen gewesen, wie sie jetzt (schon wieder) von den Stammtischen in die Öffentlichkeit gekrochen sind. (siehe dazu auch den heutigen Aufschreiber)

Die Schuldigen an jeder Misere sind längst ausgemacht: Menschen mit Migrationshintergrund (sind das nicht wir alle?), Arbeitslose und sogenannte Bildungsferne (diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Das da hätt‘ einmal fast die Welt regiert,
Die Völker wurden seiner Herr.
Jedoch ich wollte,
daß ihr nicht schon triumphiert:
Der Schoß ist fruchtbar noch,
aus dem das kroch

Bertolt Brecht, Kriegsfibel, 1955

Namen sind Schall und Rauch.  Dass ein Dutzend bekannter Zeitungen die dämliche Behauptung aufstellt, die Umbenennung von Hartz IV sei gestoppt worden, entspricht der Bildungsferne ihrer Schreiber und der völligen Abwesenheit für Verständnis des Themas. Nein, Hartz IV ist nicht die frühere Sozialhilfe und auch nicht die frühere Arbeitslosenhilfe, auch die frühere Grundsicherung nicht – Hartz IV ist ein vom Volk geprägter Sammelbegriff  für alle die bereits bestehenden verschleiernden Worte in den Sozialgesetzbüchern: Sozialgeld, Arbeitslosengeld II und Grundsicherung. Frau von der Leyen kann Hartz IV nicht umbenennen, selbst, wenn es ihr gestattet würde :-).

Dummheit - WELT ONLINE

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Dummheit grenzenlos - Süddeutsche

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Dummheit grenzenlos - SPIEGEL ONLINE

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Namen sind Schall und Rauch – aufs Gefühl kommts an.

„Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.“

(Das schrieb J.W. von Goethe, der Suchende findet es im Faust 1. Teil, Zeile 3446 ff.)

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