Philipp Müller von Polizisten erschossen

Philipp Müller wurde erschossen. Nein, es geht nicht um Philipp Müller den jungen Torwart, der heute sein Oberligadebüt beim BFC Dynamo gab. Einen anderen Philipp Müller trafen die tödlichen Schüsse der schwarzuniformierten Polizisten in den Rücken. Eine der Kugeln erreichte sein Herz, aber er war nicht sofort tot. Als sie ihn „wie ein Stück Vieh“ (Augenzeuge) auf den Polzeiwagen warfen, da lebte er noch – auch wenn überliefert wurde, dass ein Polizist sagte: „Das Schwein ist schon tot“.  Philipp Müller verblutete. Das geschah in Essen, am Vormittag des 11. Mai 1952, am gleichen Tag wurde ich in Berlin geboren. Philipp Müller war der erste Demonstrant, der in der Bundesrepublik erschossen wurde. An der Demo nahmen mehr als 30 000 Menschen teil, obwohl sie kurz vor Beginn verboten worden war. Als das Verbot durch den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Landesinnenminister Karl Arnold (CDU) erfolgte, waren die meisten Teilnehmer bereits angereist. Fadenscheinig waren die Gründe für diese Entscheidung – in der Verbotsverfügung hieß es unter anderem, die Sicherheit der Demonstranten könne wegen eines Mangels an Polizeikräften nicht gewährleistet werden. Doch natürlich waren es politische Gründe, die zum Verbot führten. Die Aktion der Demonstranten richtete sich gegen die Remillitarisierung – eine Konferenz verschiedener Jugendorganisationen hatte am 2. März 1952 in Darmstadt unter Leitung des dortigen Pfarrers Herbert Mochalski, eines engen Vertrauten des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller, zu einer „Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag“ aufgerufen. Sicher wäre die Demonstration ohne das kurzfristige Verbot und den folgenden brutalen Einsatz der Polizei friedlich verlaufen, doch die Regierung Adenauer hatte ein Interesse an Zwischenfällen, Randale und Gewalt. Es ging natürlich auch darum, Gegner der Remiltarisierungspolitik zu kriminalisieren. Noch war die Erinnerung an den Krieg ja wach – Abscheu und Angst im Bewusstsein. Die Idee einem Militärbündnis beizutreten, gefiel also nicht allen Deutschen, nicht wenige waren dagegen. Viele hielten die neuerliche Aufrüstung für einen Fehler. Auch deshalb hatte der Aufruf so starken Widerhall gefunden und wären nicht viele der Demonstranten schon an der Hinreise gehindert worden, wären noch mehr in Essen auf die Straße gegangen, denn die meisten wussten nicht einmal von dem Verbot der Veranstaltung. „Friedensvertrag statt Generalvertrag“ – das war das Motto der Demonstration – es ging den Teilnehmern um den Abschluss eines Friedensvertrages mit dem wiedervereinigten Deutschland, den Abzug der Besatzungstruppen  und gesamtdeutsche Wahlen. (Zur Erinnerung: Im März 1952 hatte Stalin den Westmächten in einer Note Verhandlungen über die Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands angeboten. Lies auch kurz bei Wiki nach)

Philipp Müller war 1952 erst 21 Jahre alt, er war ein gelernter Schlosser, tätiger Eisenbahner, überzeugter Kommunist und Mitglied der inzwischen im Westen bereits verbotenen FDJ. Er wurde 1931 in München geboren und stammte aus einer katholischen Familie. Der auch in der Gewerkschaft aktive Kommunist nahm 1950 am Pfingstreffen dee FDJ und 1951 an den III. Weltjugendfestspielen in Ostberlin teil. Während des Pfingsttreffens lernte Philipp auch seine spätere Frau, Ortrud Voß, kennen, sie heirateten bald in Berlin-Weißensee, nicht weit vom Sportforum Hohenschönhausen, wo jetzt sein Namensvetter beim BFC Dynamo trainiert und Fußball spielt. Als Philipp Müller erschossen wurde, da war der kleine Sohn des Ehepaares erst wenige Monate alt. Bald nach seiner Hochzeit mit der ebenfalls politisch aktiven Ostberlinerin wurde Müller entlassen, brauchte man ihn plötzlich im Eisenbahnausbesserungswerk Neu-Aubing in München nicht mehr. Politische Gründe für diese Entlassung sind sehr wahrscheinlich. Nun arbeitete Philipp Müller nur noch für Partei und FDJ. Er soll einen Ãœbersiedlungsantrag in die DDR gestellt haben – dort lebten ja Frau und Kind, aber zum Zeitpunkt der Demo wohnte Philipp Müller noch im „Westen“. (Die Genossen im Osten hatten es auch gar nicht so gern, wenn Genossen aus dem Westen in den Osten kommen wollten. Die sollten doch lieber im Westen für den Kommunismus kämpfen 🙂 ) Er sollte Demonstrationen organisieren, heißt es und auch Nicht-FDJ-Mitglieder für gemeinsame Aktionen werben.

Zu den Demonstranten in Essen gehörten aber nicht nur Kommunisten und Sozialdemokraten, es waren auch Bündische und Gewerkschafter. Und unter den Rednern waren auch der Bundesfeldmeister des Deutschen Pfadfinderbundes, der Gewerkschaftsjugendsekretär der IG Post, Pastor Herbert Mochalski Darmstadt und Pfarrer Hans Meyer aus Düsseldorf. 

Die Demonstranten trafen auf ein Polizeiaufgebot von 2000 Mann aus Köln, Düsseldorf, Wuppertal und Essen, gewissermaßen die Feuerprobe der paramilitärischen Bereitschaftspolizei. Diese Einheiten standen nicht nur in Nordrhein-Westfalen bereits unter dem Kommando von in der zu leistenden Drecksarbeit erprobten HJ- und SS-Führern. Das Ergebnis bestand in einem Toten und mehreren Schwerverletzten, allesamt auf der Flucht vor der Bereitschaftspolizei durch Rückenschüsse auf 25-30 Meter Distanz getroffen.“ (Quellewww.die-kommenden.net) 

In Ossietzky schrieb Hubert Reichel: „Durch besondere Brutalität zeichnete sich die sogenannte Einsatzgruppe Wolter aus. Aus ihren Reihen fielen die tödlichen Schüsse, die Philipp Müller in den Rücken trafen. Durch Polizeikugeln schwer verletzt wurden zwei weitere Teilnehmer der Friedenskarawane, der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Kassel und ein parteiloser Gewerkschafter aus Münster. Der Polizeiterror traf nicht nur Demonstranten. Essener Bürger, die als zufällige Passanten Augenzeugen wurden und gegen das Vorgehen der Polizei protestierten, wurden zusammengeschlagen und verhaftet. Die Verantwortlichen der Polizei versuchten, den Waffeneinsatz mit der Lüge zu begründen, von Demonstrationsteilnehmern sei zuerst geschossen worden. Diese Propaganda-Offensive scheiterte an den Berichte zahlreicher Augenzeugen, zumal bekannt wurde, daß der Schießbefehl von Innenminister Lehr persönlich gegeben worden war.“

Verantwortliche und Täter wurden bis heute nie zur Rechenschaft gezogen, die KPD-Fraktion beantragte zwar einen Untersuchungsausschuss – vergeblich.

„Ministerpräsident Arnold erklärte zum Essener Blutsonntag: „Da der Widerstand durch den Gebrauch des Polizeischlagstocks nicht gebrochen werden konnte … musste von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden. Vor dem Schusswaffengebrauch wurde die Menge dreimal aufgefordert, das Werfen einzustellen.“ Demonstrationsteilnehmern zufolge eröffneten die Polizisten jedoch von sich aus das Feuer und wurden erst daraufhin mit Pflastersteinen etc.angegangen. Alle Untersuchungen und Nachfragen verliefen im Sand, die kompletten Akten wurden nach Ende eines ergebnislosen Verfahrens vernichtet.“ Quelle

„Das Dortmunder Landgericht bestätigte schließlich mit seinem Urteil gegen elf Demonstranten am 20. Oktober 1952, dass die Polizeibeamten in Notwehr gehandelt hätten.“ Quelle

In der den Ereignissen folgenden Bundestagsdebatte wurde dem KPD-Abgeordneten Heinz Renner das Wort entzogen. Er wurde für 20 Sitzungstage ausgesperrt. Die SPD forderte künftig Wasserwerfer statt Pistolen einzusetzen und regte an, eine größere Zahl davon beschaffen zu lassen. Die CDU forderte den Bundestag auf, sich zu erheben und der Polizei für ihren Einsatz zu danken.

Heutzutage werden Wasserwerfer eingesetzt. Mit dem Mangel an Polizeikräften wird manches Verbot begründet und es gibt nur noch wenige Philipp-Müller-Straßen – aber einige immerhin doch. (Jena/Halle – habe ich sofort gefunden…) Am 50. Todestag Philipp Müllers feierte ich meinen 50. Geburtstag – so ist das LEBEN - und als BFC Dynamo – Fans beteiligten wir uns an diesem Tag an der ersten gemeinsamen Demo aller deutschen Fußballfans  (Flyer hier) - gegen Polizeiwillkür und Schikane und für den Erhalt der Fankultur.                                 (Pressemitteilung von profans findet ihr hier )

[mygal=fandemo]

Viel Erfolg wünsche ich dem jungen Torhüter Philipp Müller beim BFC Dynamo. Und uns allen wünsche ich, dass der andere Philpp Müller nicht vergessen wird.   

 

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